Review
Ich muss gestehen, dass ich zu den Leuten gehöre, die die Buchvorlage zu Die Tribute von Panem – The Hunger Games nicht gelesen haben. Somit galt es, für meine Kollegin mich nach der Pressevorführung erst einmal aufzuklären, wie eng sich denn nun die Filmemacher um Regisseur Gary Ross (Pleasentville, Seabiscuit) an den Roman (The Hunger Games) von Suzanne Collins gehalten haben. Die Antwort offenbarte den Standard, wie er bei dieser Konstellation eigentlich fast immer vorkommt. Der Film wird dem Buch leider nie wirklich gerecht, ist aber, losgelöst davon betrachtet, schon ganz gut geraten.
So würde ich das aus meiner Sicht auch stehen lassen. Die Idee ist in ihren Grundzügen nicht ganz neu (Battle Royal, Todesmarsch, Running Man), birgt aber durchaus eine Menge Potential. Wie viel wird man freilich erst nach der Sichtung der beiden weiteren Teile sagen können, da es sich ja bei der Anlage um eine klassische Trilogie handelt.
Teil 1 führt soweit zunächst in die Welt von Panem ein und bringt das höchst pervers-veranlagte Spielchen auch schon hinter sich, der Ausgang sei hier natürlich nicht verraten. Dabei hätte man durchaus etwas mehr nach der Devise Kürze=Würze vorgehen können, auch wenn das eventuell bedeutet hätte, noch mehr Details des Buches auszusparen. Der Film allerdings ist mit seinen 142 Minuten doch entweder ein Stück zu lang geraten oder man hat die Konzentrationspunkte nicht ganz optimal gelegt.
Spannung (nicht Grusel) kommt schon auf, jedoch in nur sehr geringer Dosierung, da man bei der Vermarktung in Richtung eines breiten und auch jungen Publikums schielte. Dabei offenbart sich genau die Hauptschwachstelle des Films, die doch recht harte Thematik in möglichst sanften und harmlosen Bildern einzufangen. So wird zum Beispiel die Wackelkamera-Technik nicht als filmisches Stilmittel eingesetzt, sondern um gewalttätige Szene visuell zu entschärfen. Dieser „Kunstgriff“ zeugt doch sehr von Einfallslosigkeit, obwohl er eigentlich das Gegenteil, nämlich Kreativität verkaufen soll. Abgesehen davon ist es nervig und wirkt deplatziert, weil im Rest des Films darauf verzichtet wird.
Ansonsten hat Kameramann Tom Stern, den Film eigentlich in recht schönen Bildern eingefangen, wobei das Hauptaugenmerk immer auf der Kontrastierung zwischen der schrillen und futuristisch High-Tech-Stadt Panem und den einfachen und ärmlichen Außendistrikten liegt. Dies erzeugt wunderbar die Wirkung von zwei verschiedenen Welten, wobei der Film es dem Zuschauer sehr leicht macht, sich emotional zu positionieren, aber nicht wirklich dazu anregt auch sich selbst und (aktuelle) gesellschaftliche Entwicklungen (Gladiatorenkämpfe –> Öffentliche Hinrichtungen –> Stierkämpfe –> Autorennen –>Katastrophentourismus –> Big Brother –> Dschungel Camp –> Verfolgungsjagden live im Fernsehen –> Öffentliche Hinrichtungen? –> Gladiatorenkämpfe? = Voyeurismus und Sensationsgeilheit) zu hinterfragen.
Wenn man also vor hat, sich etwas tiefgründiger von der filmischen Umsetzung von Die Tribute von Panem idealistisch befruchten zu lassen, könnte es sein, dass man ab und an mal sauer Aufstoßen muss. Oberflächlich betrachtet, bietet der Streifen jedoch solide Unterhaltung mit einem Cast (Woody Harrelson, Donald Sutherland, Stanley Tucci, Elizabeth Banks, Lenny Kravitz), der seine Sache ganz gut macht, ohne dass die Rollen und das Drehbuch den Darstellen schauspielerische Meisterleistungen abverlangen. Vor allem Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence hat in ihrer noch jungen Karriere schon wesentlich ausgefeiltere Rollen (Winter`s Bone, Auf brennender Erde) gemeistert, wird aber erst durch ihren Auftritt als Katniss Everdeen in TvP einem großem Publikum im Gedächtnis bleiben. Mainstream sei dank.